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03.06.2022 | Das Gespräch führte Wolfgang Michel (kfz-betrieb)

"Wir glauben weiterhin an die individuelle Mobilität"

Freitag, 03. Juni 2022, 16:14 Uhr
Nur wenige Tage nachdem Helmut und Andreas Peter ihr neues Autohaus eröffnet hatten, vermeldete Mercedes-Benz, dass es künftig rund 20 Prozent weniger Verkaufsfläche braucht. Aber auch das bringt die beiden Geschäftsführer nicht aus der Spur.

Andreas (l.) und Helmut Peter mit Christina Dost. Die Geschäftsführerin ist für alle Autohaus-Peter-Standorte in Sachsen-Anhalt verantwortlich.

In welchem Jahr ist die Entscheidung gefallen, in Lutherstadt Wittenberg ein neues Autohaus für die Marke Mercedes-Benz zu bauen?
Helmut Peter: 2019 haben wir entschieden, ein neues Autohaus zu bauen – nachdem wir vor Ort bereits seit 2016 ohne Vertriebsstandort klarkommen mussten. Für die Autohaus Peter-Gruppe war das eine wichtige strategische Entscheidung. Schließlich liegt Lutherstadt Wittenberg zwischen den beiden Ballungsräumen Berlin/Potsdam und Halle/Leipzig.

Sie haben das Autohaus nicht auf der grünen Wiese gebaut, sondern auf dem Gelände einer Industriebrache. Auch wenn Sie diesbezüglich aufgrund anderer Bauprojekte in Ostdeutschland viel Erfahrung haben, wo lagen in diesem Fall die besonderen Herausforderungen?
Helmut Peter: Nach der Wiedervereinigung hat die Treuhand das Grundstück an sogenannte Projektentwickler verkauft. In diesem Fall hat sie damit sehr viel Unheil angerichtet, und in der Folge hat sich die rechtliche Lage äußerst verkompliziert. Das Grundstück befand sich zum Zeitpunkt unseres Interesses in der Zwangsversteigerung der Stadt und des Landkreises Wittenberg. Hinzu kam, dass der Eigentümer des Grundstücks nicht mehr ein Projektentwickler war, sondern das Bundesland Hessen. Es hat viel Kraft, eine Menge Zeit und einiges Geld gekostet, diesbezüglich ans Ziel zu kommen. Jedoch hat sich jeglicher Aufwand gelohnt, da die erworbene Industriebrache unweit der Innenstadt liegt, was für unseren neuen Autohausstandort heute sehr vorteilhaft ist.

Im Verlauf der vergangen drei Jahre sind die Baukosten Jahr für Jahr überproportional gestiegen. Inwieweit hat diese Entwicklung auf Ihre ursprüngliche Planung durchgeschlagen? Wie viele Millionen haben Sie investiert?
Helmut Peter: Die Baukosten, die wir unmittelbar vor der Pandemie Anfang 2020 geplant und mit den Handwerksbetrieben vereinbart hatten, wurden bis auf wenige Ausnahmen eingehalten. Die Investition beträgt inklusive dem etwa 25.000 Quadratmeter großen Grundstück rund zwölf Millionen Euro.

Wie viel Potenzial hat Lutherstadt Wittenberg, um die Menschen von der Marke mit dem Stern zu überzeugen? Welche Rolle spielen gewerbliche Kunden in dieser Region Sachsen- Anhalts?
Andreas Peter: 2017 war das 500-jährige Jubiläum der Reformation. Durch die die damit verbundenen Feierlichkeiten erlangte die Lutherstadt Wittenberg nicht nur ein großartiges Ambiente; sie erlebte zudem einen wirtschaftlichen Aufschwung. Da unsere Autohausgruppe in vielen mittelgroßen Städten ansässig ist, haben wir diesbezüglich ausreichend Erfahrungen. Im Vergleich zu unserer Firmenzentrale in Nordhausen hat Lutherstadt Wittenberg rund 10.000 Einwohner mehr. Rund um Wittenberg ist sehr viel Großindustrie, die man dort nicht unbedingt vermutet. Ebenso sind überdurchschnittliche viele Handwerksbetriebe präsent. Das ist vor allem für unser Nutzfahrzeug- und Transportergeschäft sehr relevant.

Sie betreiben auch ein Autohaus in Dessau-Roßlau. Lassen sich die beiden Standorte vergleichen?
Andreas Peter: Nein. Die Stadt Dessau-Roßlau hat zwar rund 20.000 Einwohner mehr als Lutherstadt Wittenberg. Die Wirtschaftskraft ist jedoch aus unserer Perspektive wesentlich geringer. Für beide Standorte spricht, dass die Region Dessau-Roßlau, in der wir seit fünf Jahren ansässig sind, von Lutherstadt Wittenberg durch die Autobahn A9 getrennt wird. Damit einher geht die Einkaufsorientierung der Menschen in ihrer jeweiligen Region.

Wie viele Pkw, Transporter und Lkw wollen Sie am neuen Standort in Lutherstadt Wittenberg vermarkten?
Andreas Peter: Mittelfristig wollen wir 350 gebrauchte Pkw und Junge Sterne verkaufen sowie Neuwagen vermitteln. Etwa dieselbe Größenordnung sehen wir im Geschäft mit den Transportern. Hinzu kommen 70 bis 150 Lkw, je nach Bestellumfang durch einige Großkunden.

Wie viele Pkw- und Nutzfahrzeugarbeitsplätze zählt die Werkstatt?
Helmut Peter: Die Pkw-Werkstatt verfügt über zehn Wartungs- und Reparaturplätze. Für den Service an den Transportern stehen drei Wartungs- und Reparaturplätze zu Verfügung. Für unsere Lkw-Kunden gibt es vier Werkstatteinfahrten. Zudem sind zwei separate Standplätze für die Reparatur von Batterien von Elektrofahrzeugen vorgesehen.

Für wie viele Reparaturaufträge im Jahr ist die Werkstatt ausgelegt?
Helmut Peter: Wir gehen davon aus, dass wir circa 350.000 Arbeitswerte im Jahr verkaufen werden.
Der Umsatz mit Ersatzteilen wird sich um die drei Millionen Euro bewegen.

Werden in der neuen Werkstatt auch Unfallschäden instandgesetzt?
Helmut Peter: Für das Unfallgeschäft existieren vier Karosserieplätze.

Wie viele Menschen beschäftigen Sie im neuen Autohaus?
Andreas Peter: Es sind 50 Mitarbeiter plus zwölf Auszubildende geplant.

Kommt die Belegschaft aus bestehenden Peter-Betrieben, oder sind das allesamt neue Mitarbeitende?
Andreas Peter: Wir haben bereits seit einem Jahr gezielt Mitarbeitende für den Standort Lutherstadt Wittenberg eingestellt. Diese wurden an unseren anderen Standorten in Sachsen-Anhalt eingearbeitet. Mittlerweile haben 25 von ihnen ihre Tätigkeit in Wittenberg aufgenommen. Weitere 30 Personen rekrutieren wir derzeit.

Wie viele jungen Menschen werden in Lutherstadt Wittenberg einen Ausbildungsberuf des Kfz-Gewerbes erlernen? Welche Berufe bilden Sie dort aus?
Helmut Peter: Wir stellen zukünftig jährlich vier Azubis als Kfz-Mechatroniker ein. Hinzu kommt jeweils ein Azubi für den Bereich Karosserie und die kaufmännische Ausbildung.

Wer hat die Gesamtverantwortung für diesen neuen Standort?
Helmut Peter: Unsere Geschäftsführerin Christina Dost ist für alle Standorte in Sachsen Anhalt verantwortlich. Gemeinsam mit ihrem Mann und Serviceleiter hat sie die Gesamtverantwortung in Lutherstadt Wittenberg. Mittelfristig möchten wir einen Centerleiter einstellen.

Anfang April haben Sie das Autohaus eröffnet. Wie war das Feedback von Kunden und Interessenten? Wie ist das Geschäft seitdem gelaufen?
Helmut Peter: Das Eröffnungswochenende war die erste Großveranstaltung nach den Corona-Lockerungen. Entsprechend groß war das Interesse. Über drei Tage hinweg zählten wir rund 4000 Besucher. Wir sind zufrieden damit, wie das Geschäft seitdem in allen Sparten angelaufen ist. Jedoch war für uns immer klar, dass wir rund drei Jahre benötigen würden, um gewinnbringende Kundenbeziehungen aufzubauen. Wir sind davon überzeugt, dass sich die Investition in das neue Autohaus mittelfristig auszahlen wird.

Das neue Autohaus ist in der Welt der Autohändler mit dem Mercedes-Stern ein sogenanntes Leuchtturmprojekt. Was unterscheidet den Leuchtturm von Ihren „normalen“ Standorten?
Helmut Peter: Das Haus wurde nach den Richtlinien von MAR2020 gebaut und ausgestattet. Wir wissen, dass wir in den mittleren Städten wie Lutherstadt Wittenberg schon von einem Leuchtturm in der Automobilbranche sprechen dürfen, auch wenn Mercedes-Benz in der neuen Strategie bei Pkw und Transportern andere Wege gehen wird. Wir passen uns den neuen Gegebenheiten an und werden das Haus mit Leben erfüllen.

Wie bewerten Sie die Zukunft des Neuwagenverkaufs im künftigen Agenturmodell zwischen Hersteller und Händler?
Andreas Peter: Als wir 2018 darüber nachdachten, in Lutherstadt Wittenberg ein neues Autohaus zu bauen, kannten wir die Konzernstrategie noch nicht. Wir sind dennoch fest davon überzeugt, dass uns der Mercedes-Benz-Konzern jegliche Unterstützung gewährt, damit sich unsere Investitionen amortisieren. Bei unseren strategischen und gesamtwirtschaftlichen Überlegungen spielen natürlich auch unsere anderen Autohäuser eine erhebliche Rolle.

Würden Sie trotz künftig veränderter Rahmenbedingungen im Kfz-Gewerbe eine solche Investitionsentscheidung im Jahr 2022 erneut treffen und ein Autohaus in Lutherstadt Wittenberg dieser Dimension bauen.
Helmut Peter: Wir glauben auch weiter an das Automobil und die individuelle Mobilität. Schließlich kann nicht jeder öffentliche Verkehrsmittel nutzen, schon gar nicht in den ländlichen Regionen.

Andreas Peter: Die Faszination Auto stand in Deutschland noch nie so im Fokus wie derzeit. In den letzten zwei Jahren hat sich gezeigt, dass für die meisten Autofahrer ihr Fahrzeug nicht nur ein Fortbewegungsmittel ist; es hat vielmehr einen festen Platz im täglichen Leben eingenommen, vergleichbar mit der eigenen Wohnung.

Wird es in den nächsten Jahren weitere neue Autohäuser der Peter-Gruppe geben?
Helmut Peter: Wir bauen zurzeit unsere Firmenzentrale in Nordhausen nach MAR2020 um. Auch hier haben wir den Totalabriss einem aufwendigen Bestandsumbau vorgezogen. Weiterhin bauen wir in unserer Landeshauptstadt Erfurt ein neues Autohaus für die Marken des Stellantis-Konzerns.

Können Sie sich auch neue Marken in Ihrer Autohausgruppe vorstellen?
Andreas Peter: In mittelgroßen Städten zehn Fahrzeugmarken im Verkauf und zwölf im Service zu haben, ist schon Herausforderung genug. Deshalb kommt für uns derzeit keine weitere Marke infrage. Wenn wir unsere Markenpräsenz ausweiten, dann nur an den Standorten, an denen wir derzeit bereits sind, und auch nur mit den Marken, die wir bereits im Portfolio haben.

Können Sie sich vorstellen, sich von bestehenden Marken zu trennen?
Andreas Peter: Derzeit nicht. Wir pflegen unsere Marken weiterhin; denn bei allen unseren Marken gehören wir zu den 50 besten Betrieben in Deutschland.

Werfen wir abschließend einen Blick in die Glaskugel: Wo wird sich die Welt des Autohandels- und des Servicegeschäft aus Ihrer Sicht bis 2030 hin entwickeln?
Helmut Peter: Die Welt wird sich weiter rasant verändern. Jedoch bleibe ich meinem langjährigen Motto treu: Auch in Zukunft werden Geschäfte von Menschen gemacht. Zudem habe ich weder bei den Konzernen noch in der Politik oder den Verbänden jemanden gefunden, der zu 100 Prozent sagt: 2030 ist der Verbrenner tot.

Andreas Peter: Die Elektromobilität spielt in unseren Investitionsentscheidungen eine große Rolle. Jedoch kommen wir in den nächsten Jahren bei den vollelektrischen Fahrzeugen in unserer Autohausgruppe sicher nicht über einen Anteil von 20 Prozent. Und für Verbrenner und E-Autos gilt: Die Informationen vor einer Kauf- oder Werkstattentscheidung über das Preis-Leistungs-Verhältnis holen sich die Verbraucher künftig sicherlich noch stärker als bisher im Internet. Aber am Ende wollen die Menschen sowohl im Verkauf als auch im Service von emphatischen und kompetenten Menschen vor Ort bedient werden.